Deutscher Werkbund

„Der Deutsche Werkbund will der Anreger und Förderer einer deutschen Kunst sein. Er selbst kann keine Kunst schaffen, denn Kunst wird immer nur von einzelnen Menschen gemacht, die etwas Richtiges können, und der Werkbund ist kein Einzelmensch, sondern ein Gesinnungs- und Interessenverband. Was er als solcher sich zur Aufgabe stellt, ist die Öffnung der Augen für die neueren Formen, Farben, Muster, Gestalten. Er will eine geschmacksbildende Körperschaft sein.“

Friedrich Naumann, Werkbund und Handel, im Jahrbuch des DWB 1913

In München trafen 1907 angesehene Künstler, Architekten, Kunsthandwerker, Industrielle, Kaufleute und Schriftsteller zusammen, die das „Werk“, das Produkt ihrer Arbeit, in den Mittelpunkt ihres Denkens und Handelns stellten. Sie gaben sich den Namen „Werkbund“ und formulierten die Aufgaben in der Satzung: „Der Zweck des Bundes ist die Veredelung der gewerblichen Arbeit im Zusammenwirken von Kunst, Industrie und Handwerk durch Erziehung, Propaganda und geschlossene Stellungnahme zu einschlägigen Fragen.“ Mit dieser Zielsetzung vertrat der Werkbund einen ethisch fundierten Qualitätsbegriff, der Materialgerechtigkeit, Zweckmäßigkeit, Gediegenheit und Nachhaltigkeit beinhaltete.

Die Werkbund-Gründung war ein Protest gegen Historismus und Kulturverfall der menschlichen Umwelt – der Geräte und Möbel, der Wohnungen und Arbeitsstätten, der Häuser, Straßen, Städte und Landschaften. Sie war zugleich ein Aufruf zur künstlerischen, sittlichen und sozialen Erneuerung. Zum Kreis der Gründer und frühen Mitglieder des Werkbundes gehörten: Friedrich Naumann, Hermann Muthesius, Karl Schmidt-Hellerau, Hans Poelzig, Bruno Taut, Peter Behrens und Henry van de Velde. Ein Höhepunkt in der Werkbund-Geschichte vor dem Ersten Weltkrieg war die große Ausstellung von 1914 in Köln.

Im Rahmen der Kölner Ausstellung kam es zur fundamentalen Richtungsdebatte im Hinblick auf alle Fragen von Formgebung und Gestaltung, den sog. „Werkbund-Streit“: Sollte die künstlerisch-handwerkliche Individualität (van de Velde) oder die maschinell-industrialisierter Typisierung (Muthesius) als Leitlinie des entwerferischen Arbeitens angestrebt werden? Diese ungelöste Auseinandersetzung führte im Verlaufe der 1920er Jahre in die Aufspaltung des Werkbundes in zwei Flügel, den „Ring“ und den „Block“, die jeweils eigene Spielarten der Moderne verfolgten.

Im Jahr nach der richtungsweisenden Ausstellung „Die Form ohne Ornament“ (1924) übernahm der Ring das Dogma des Funktionalismus. Der Block blieb den vor 1914 entwickelten Reformideen treu und forderte eine Orientierung an historischen Kontexten, typologischen Traditionen und nationalen Eigenarten. Beide Fraktionen koexistierten zunächst und arbeiteten auch zusammen – so gestaltete etwa der „Flachdachverfechter“ Walter Gropius den Ausstellungspavillon zu der von Steildächern geprägten Berlin-Zehlendorfer Gagfah-Siedlung Am Fischtal (1928), die als Kontrapunkt zur benachbarten Onkel-Tom-Siedlung geplant worden war (Architekten: Bruno Taut, Hugo Häring, Otto Rudolf Salvisberg). Der medial inszenierte „Zehlendorfer Dächerkrieg“ war allerdings Vorbote einer Anfang der 1930er Jahre zunehmenden politischen Ideologisierung der Form, forciert durch die radikale „Kunstpolitik“ des nationalsozialistischen „Kampfbundes für Deutsche Kultur“.   

Das u.a. von Hermann Muthesius geprägte pädagogische Reformprogramm des Werkbundes blieb für viele Kunstgewerbe- und Architekturschulen seit 1910 prägend. Im Offenbach am Main formte Hugo Eberhardt die Technischen Lehranstalten zu einer Ausbildungsstätte um: das bereits an der Berliner Kunstgewerbeschule erarbeitete Konzept einer engen Zusammenarbeit mit der Industrie konnte hier erstmals umfassende Erfolge feiern. In die Umwidmung der Weimarer Kunst- und Kunstgewerbeschule zum „Bauhaus“ 1919 flossen erneut pädagogische Grundsatzgedanken des Werkbundes ein, die sich in den Folgejahren mit zahlreichen internationalen Aspekten der kunstgewerblichen Lehre (De Stijl, Vchutemas) verbanden. Die Nähe zwischen Werkbund und Bauhaus dokumentiert ein Meilenstein des Neuen Bauens: die Werkbund-Ausstellung „Siedlung am Weissenhof“ 1927 in Stuttgart, der weitere Werkbund-Bauausstellungen in Breslau, Zürich, Prag und Wien folgten.

Nachdem die progressiven Mitglieder des Werkbundes 1933 durch interne Umbesetzung und ideologische Gleichschaltung mit dem Nationalsozialismus entlassen wurden kam es in den Folgejahren zur Auflösung. Die Prozesse, Verantwortlichkeiten und Zusammenhänge sind bislang nicht umfassend aufgearbeitet.

Die Neugründung des Werkbundes erfolgte 1947. Dem föderalistischen Prinzip entsprechend, entstanden in schneller Folge die Landeswerkbünde. Zunächst galt es, die Werkbundauffassung im Rahmen des Wiederaufbaus zur Geltung zu bringen. Die alle Lebensbereiche umfassende und bestimmende technische Entwicklung hat den Werkbund vor die Aufgabe gestellt, sich der Sicherung unserer elementaren Lebensgrundlagen zuzuwenden. Umweltfragen im weitesten Sinne – Städtebau, Raumordnung, Bildung und Ausbildung – und die mit ihnen verknüpften gesellschaftlichen und politischen Probleme rückten in den Vordergrund. Der Werkbund ist in wachsendem Maße als kritische und warnende Instanz bei konkreten Anlässen hervorgetreten. Mit seiner Aktion ‚Die große Landzerstörung‘ hat er bereits im Jahre 1959 auf die drohende Zerstörung der elementaren Grundlagen des menschlichen Lebens hingewiesen, die heute weltweit unter dem Begriff ‚Umweltverschmutzung‘ erörtert wird. Seit Ende der 1960er Jahre werden Themenfelder wie die Bodenfrage, Kapitalismuskritik, alternative Lebensformen im Werkbund erörtert. Hierfür steht vor allem der Name Lucius Burckhardt.

Das Werkbundarchiv – Museum der Dinge dokumentiert die prägenden Tätigkeiten der Werkbund-Persönlichkeiten. Wir verweisen auf die Ausstellung: Protagonisten des Deutschen Werkbunds

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